Montag, 15. Juli 2013

Ihr spendet - wir singen: Stand der Aktion ein halbes Jahr danach

Ihr erinnert euch sicher an die Spendenaktion in der Adventszeit hier im Me-made-Mittwoch-Blog: Wir sammelten für die Ausbildung marokkanischer Berberfrauen als Stickerinnen und Näherinnen, mehr als 4000 Euro kamen Dank eurer Hilfe dabei zusammen. Nun, ein gutes halbes Jahr später, trafen wir uns in Berlin mit Andrea Kolb, der Gründerin der Abury-Foundation und ließen uns zeigen, was aus unseren Spenden geworden ist.
Mit solchen alten Berber-Ledertaschen fing einmal alles an
Heute stellen die Stickerinnen für Abury diese tradtionellen Taschen neu her
Seit diesem Frühjahr lernt dank unserer Spendengelder eine neue Gruppe von acht Frauen das Sticken und die Weiterverarbeitung des Leders. Es werden immer nur so viele Frauen ausgebildet, wie später auch in festen Arbeitsverhätlnissen mit Verträgen beschäftigt werden können.Die Frauen sind sehr unterschiedlich, zwischen 16 und 45 Jahre alt, viele haben Kinder und eigene Familien. Die Entscheidung, welche Frauen mit der Ausbildung beginnen dürfen, überließ Andrea der Dorfgemeinschaft. So ist dafür gesorgt, dass eine Auswahl zustande kommt, die von den Leuten vor Ort als gerecht angesehen wird.

Foto: Andrea Kolb

Mit Hilfe unserer Spenden wurde nicht nur diese neue Klasse eingerichtet, die Stiftung konnte zusätzlich auch einen sehr kompetenten professionellen Stick-Meister als Lehrer neu einstellen. Die Frauen akzeptieren ihn und sein Können. Somit kann er die Stickschülerinnen gut motivieren, auch wenn es darum geht, die hohen Qualitätsanforderungen zu erreichen.

Fotograf: Mohamed Smyej, mit freundlicher Genehmigung von abury.org
Jede der Schülerinnen bekommt zu Beginn der Ausbildung die gesamte Grundausstattung von der Abury-Foundation gestellt, wie z.B. einen Stuhl, Material und Werkzeug sowie das Holzteil, in das man das Leder zum Besticken einspannt. 

 Foto: Andrea Kolb

Andrea zeigte uns nicht nur die wunderschönen bestickten Taschen und Accessoires (die in echt noch viel schöner sind, als jedes Foto vermitteln könnte), sondern auch Probestücke der Schülerinnen, damit wir einen Vergleich zu den Taschen für den Verkauf haben und eine Vorstellung bekommen können für das große Können, das für die Herstellung dieser hochwertigen und sehr überzeugenden Produkte nötig ist.

Bei der Taschenklappe rechts wurde das Muster am Anfang nicht richtig übertragen - die Stickerin zeichnete sich die Umrisse deshalb einfach mit Kugelschreiber vor
Gut und nur fast gut: die obere Tasche geht in den Verkauf, die untere nicht

Man sieht daran gut, dass handwerkliche Perfektion und auch das Erkennen eigener Fehler erst das Ergebnis von viel Übung ist. (Wer von uns hat diese Erfahrung noch nicht gemacht?) Mal sind die Stickstiche nicht ganz gleichmäßig, zu weit voneinander entfernt oder zu eng beisammen, mal ist der Stickfaden – ein glänzendes Material, das in Marokko „Kaktusseide“ genannt wird – zu stark gedreht, mal werden die Konturen des Musters von der Stickerei nicht komplett abgedeckt. Über die Stickereitechnik gibt es hier demnächst noch einen gesonderten Post.

Die Rückseite der Probestücke: das Leder ist mit Jeansstoff verstärkt, und der Name der Stickerin steht darauf

Mit einer dreimonatigen Ausbildung, wie ursprünglich gedacht, ist es nicht getan, das stellte sich mittlerweile heraus. Die Schülerinnen brauchen ungefähr ein Jahr, bis die Stickereien ganz perfekt und gleichmäßig sind. Diese handwerkliche Qualität ist wiederum die Voraussetzung, dass die Sachen bei uns zu einem Preis verkauft werden können, mit dem die Arbeit der Stickerinnen auch wertgeschätzt wird. Eine Stickerin arbeitet ungefähr eine Woche an einer Tasche. Kleinere Produkte können in 3 Tagen hergestellt werden. Es geht in diesem Projekt nicht darum, Dinge herzustellen, denen man den "guten Zweck" ansehen kann und die man letztlich nur kauft, weil sie günstig sind und einen wohltätigen Zweck verfolgen, sondern umgekehrt: Die Taschen, Tablet- und Handyhüllen sollen so schön und hochwertig sein, dass die Käuferin sie gerne haben möchte. Dass damit eine Würdigung der Handarbeit sowie den Frauen im Süden Marokkos eine wirtschaftliche Perspektive geboten wird und gleichzeitig ein altes Berber-Handwerk, für das es kaum noch Nachfrage gab, bewahrt wird, kommt alles noch als Bonus obendrauf.


Wie ging und geht es nun weiter? Nach der dreimonatigen Ausbildung kamen "unsere" Stickschülerinnen jetzt in eine Art Fortgeschrittenenklasse, in der sie Ihre erlernten Fertigkeiten durch viel Übung vertiefen. Sie erhalten bereits ein Gehalt. Nach und nach bekommen sie dann feste Arbeitsverträge mit einer Art Sozialversicherung, wie die Absolventinnen der vorherigen Stickklasse auch. Sie verdienen dann umgerechnet 10 bis 15 Euro pro Tag bei einer Arbeitszeit von 4 Stunden täglich, und das in einer ländlichen Region Marokkos, in der es so gut wie keine Verdienstmöglichkeiten für Frauen gibt. Insgesamt fließen 50% der Erlöse des Verkaufs der Taschen zurück in die Region und werden dort zum Nutzen der gesamten Bewohner eingesetzt.
Im kommenden Frühjahr wird eine neue Anfängerinnenklasse mit 7-8 Teilnehmerinnen eingerichtet werden können.

Der Raum der Stickschule wird nachmittags als Schule genutzt, dort unterrichtet ein Lehrer Lesen und Schreiben. Diesen Alphabetisierungs-Unterricht können alle Frauen und Kinder des Ortes besuchen, nicht nur die Stickerinnen. So profitieren nicht nur die Frauen und ihre Familien von dem Projekt, die unmittelbar angestellt sind, sondern letztlich die ganze Region.
Fotos: Andrea Kolb

Wir danken euch nochmal sehr herzlich für eure Spenden und eure Unterstützung und sollen euch vor allem auch von Andrea herzliche Grüße und ein dickes Dankeschön übermitteln. Sie ist nach wie vor begeistert und gerührt von unserem Engagement und von dem, was die Gemeinschaft des Me-made-Mittwoch auf die Beine gestellt hat.